Webdesign. Fotografie. Werbung. Reisen.
webfritz.ch

Reisebericht Antarktis 2010


Vom Eisfieber gepackt


Wie entsteht es, dieses Fieber? Bei mir brach es im Sommer 2009 aus, als wir uns mit dem Expeditionsschiff «Professor Multanovskiy» mitten im Treibeis befanden, das von Horizont zu Horizont reichte. Ich war total begeistert. Das war auf 80 Grad nördlicher Breite, also rund 1100 km vom Nordpol entfernt, am obersten Zipfel von Spitzbergen. Seither bin ich vom Eis fasziniert. Logisch, dass da auch die Antarktis zum Thema wurde...


Den Unterschied zwischen der Arktis und der Antarktis kennt doch jeder – denke ich heute. Und vergesse dabei fast, dass ich noch vor einem Jahr höchstens gewusst habe, dass im Norden die Eisbären leben und im Süden die Pinguine. Inzwischen durfte ich meinen Horizont etwas erweitern und weiss jetzt immerhin, dass der geografische Nordpol irgend eine Eisscholle ist, unter der das Meer vier Kilometer tief ist. Also gibt es ihn eigentlich gar nicht, er besteht bloss aus ein paar virtuellen Linien, die die Menschen über den Globus gezogen haben: Dort, wo sich die Längengrade treffen, da steckt er. Und wie ist das mit dem Südpol?

Im Süden gibt es einen echten Kontinent aus Felsmasse. Aber auf diesem Gestein liegt ebenfalls kilometerdick Wasser, also wie am Nordpol, nur hier in Form von festem Eis. Es ist die grösste Eismasse des Planeten. Dazu eine interessante Zahl: Von allem Eis, das auf unserem Planeten vorkommt, liegen 91% in der Antarktis. Die restlichen 9% kommen im Norden vor, der Grossteil davon in Grönland.

Die antarktische Eismasse ist so unvorstellbar gross, dass, würde sie schmelzen, der Meeresspiegel rund um die Erde um 60 Meter stiege! Ade Manhattan, ade Hamburg und Holland, von den Malediven gar nicht zu reden. Aber zum Glück schmilzt diese Eismasse nicht so schnell, globale Klimaerwärmung hin oder her. Die Rechnung ist einfach: Im Winter ist es am Südpol minus 50 Grad kalt, im Sommer immer noch durchschnittlich -25, – also kann eine globale Erwärmung von zwei oder drei Grad diesem Eis nicht viel anhaben: Auch bei «nur» minus 20 bleibt immer noch alles stein und bein gefroren.

Bei den Alpengletschern ist das anders, dort gibt es von Zeit zu Zeit Temperaturen über Null, und zudem sind sie von unseren Umweltsünden her (Smog) so verschmutzt, dass ihre inzwischen dunkle Oberfläche bei Sonneneinstrahlung mehr Wärme aufnimmt als bei sauberer, weisser Fläche, wie sie in der Antarktis (noch) herrscht, und deshalb schmelzen sie rascher.

Die antarktischen Gletscher und Eismassen schicken immer wieder gigantische Eisberge auf die Reise. So genannte Tafelberge brechen dabei aus dem Schelfeis (das liegt an den Rändern des Kontinents) und diese können ein paarhundert Kilometer lang werden! Sie werden nummeriert und kommen auf die Eiskarten für die Schifffahrt, zumal sie jahrelang im Südpolarmeer herumschwimmen, bis sie nach und nach im (relativ!) warmen Wasser auseinanderbrechen.

Und wie war das noch mit den neun Zehnteln der Eisberge, die sich unter Wasser befinden? Das haben wir doch irgendwann mal in der Schule gelernt, nur stimmt es nicht ganz. Richtig ist vielmehr, dass die Unterwassertiefe von der Dichte des Eises abhängt: Bei Tafelbergen kann das Verhältnis noch bei 1:7 liegen, bei gewöhnlichen «Gipfel»-Eisbergen (z.B. oberstes Bild ) beträgt es nur noch 1:3!

Salzwasser gefriert nicht, auch nicht bei sehr tiefer Temperatur weit unter dem Nullpunkt. Wieso gibt es dann Meereis? Ganz einfach: Beim Gefrieren wird das Salz ausgeschieden. Was bedeutet, dass auf dem Meer Süsswasser in gefrorener Form rumschwimmt. Im Gegensatz zu unserer Reise im Nordpolarmeer fuhren wir nie im gefrorenen Meer, das von Horizont zu Horizont reicht.

Das hat zwei Gründe: Erstens bewegt man sich auf dem Weg zur antarktischen Halbinsel ein gutes Stück weniger weit im Süden – wir streiften nur gerade knapp den Polarkreis (der bei ca. 66 Grad liegt), während wir damals im Norden von Spitzbergen immerhin auf 80 Grad nördliche Breite kamen (von dort sind es nur noch rund 1100 km zum Nordpol).

Zweitens stiessen wir schon in der Brainsfield Strait (bei ca. 59 Grad) auf einen Packeis-Gürtel, der das weitere Vordringen auf der Ostseite der antarktischen Halbinsel verhinderte. Aus diesem Grund mussten wir einen Bogen um die South Shetland Islands machen, um danach im Westen der Peninsula weiter nach Süden zu fahren, auf offenem Meer. Unseren südlichsten Punkt erreichten wir bei ca. 64 Grad – wir waren also noch mehr als 2500 km vom Südpol entfernt!

Unser Schiff, die MV Plancius, war ein perfektes Expeditionsschiff, klein und handlich mit 90 Passagieren, aber trotzdem komfortabel. Mit neu renovierten Kabinen, mit mehreren Aussichtsdecks und einer Panorama-Lounge. Die Landausflüge erfolgten jeweils in Gummibooten, den so genannten Zodiacs. Mit diesen wurden aber nicht nur Anlandungen gemacht, sondern auch Entdeckungsfahrten in die Welt des Eises und ihrer Bewohner.


Pinguine, das
antarktische Highlight

Zu den Höhepunkten einer Antarktisfahrt gehören natürlich die Pinguine. Im Gegensatz zur Spitzbergen-Reise, wo die wichtigste Frage lautete: «Werden wir wohl einen Eisbären sehen?» stellt sich hier diese Frage nicht. Pinguine sind «garantiert», und das zu Hunderttausenden.

Und trotzdem ergibt sich ein Challenge:
Werden wir alle Arten sehen? Die Magellan, die Rockhoppers, die Adélie, die Eselspinguine, die Goldschopf- und die Königspinguine? Pinguin ist nämlich nicht Pinguin, das fanden wir schnell heraus. Sie unterscheiden sich nicht nur punkto Grösse und Gefieder, sie haben auch alle einen eigenen Charakter. Hier zum Beispiel die stolzen, grossgewachsenen Königspinguine mit ihren feiss und plump herumstehenden Jungen im braunen Kinderkleid, dort die schlanken und flinken Gentoo-Küken (Eselspinguine), die ständig ihre armen Eltern in der Kolonie herumhetzen, um ihnen einen Bissen abzujagen.

Einige Arten waren nur schwer zu finden. Die Adélie-Kolonie auf South Georgia konnten wir zum Beispiel nicht besuchen, weil zu hoher Wellengang die Anlandung mit den Zodiacs verunmöglichte (ein einzelnes Exemplar sahen wir dann aber doch noch!, – mitten in einer Gentoo-Kolonie in einer anderen Bucht. Gentoo = Eselspinguine). Die Kaiserpinguine standen zum vornherein nicht auf dem Programm; diese leben nur an einigen wenigen Stellen auf der Ostseite der antarktischen Halbinsel, z.B. auf Swow Hill. Und um dorthin zu gelangen, braucht man einen Eisbrecher, der mit Helikopter ausgestattet ist, ziemlich viel Aufwand! Aber auch um die kleinen Rockhoppers, die Felsenpinguine, zu sehen, mussten wir einiges auf uns nehmen: Von Stanley (Falkland) aus brachte uns ein Konvoi von etwa 15 Landrovers in einer zweistündigen Schüttelfahrt querfeldein und ohne Strasse an einen Felsen am anderen Ende der Insel, wo diese kleinen Süsslinge leben. Es war den Aufwand wert, obwohl wir den ganzen Tag im Nieselregen standen, um die Tiere auf ihrem Felsen zu beobachten. Ja, auf ihrem Felsen, das ist ihr fixer Wohnsitz. Nur im Winter verlassen sie ihn und schwimmen dann nach Brasilien (!), um im Frühjahr wieder auf genau diesen einen Felsen zurück zu finden. Bewundernswerte Navigationskünstler!


Neko Harbour und Paradise Bay –
Antarktis wie im Bilderbuch

So hiessen unsere beiden Anlandestellen auf der Antarktischen Halbinsel. Neko «Harbour» ist allerdings kein Hafen, denn in dieser abgeschiedenen Welt wohnt keine Menschenseele, also braucht es auch keinen Hafen. Dafür trifft die Bezeichnung «Paradise Bay» voll ins Schwarze: Wer Eis und Kälte mag, für den ist hier wirklich das Paradies! Aus der Bucht steigen die mächtigsten Gletscher und schneebedeckte Berge empor, in der Bay dümpeln Eisbrocken, und auf so manchem hat es sich eine Robbe gemütlich gemacht: Weddellrobben, Krabbenfresserrobben und als Krönung das einzige Raubtier hier weit und breit: Der Seeleopard.

Klar, dass jedesmal, wenn so ein Exemplar gesichtet wurde, alle Zodiacs in Alarmbereitschaft versetzt wurden. Am Anfang dachten wir noch, es sei Eile angesagt, um diese eindrucksvollen Tiere sehen und ablichten zu können. Aber weit gefehlt. Wir konnten uns mit mehreren Gummibooten bis auf ein paar Meter nähern, ohne dass die Seeleoparden auch nur Notiz von uns genommen hätten. Wieso auch! Sie sind das oberste Glied in der Nahrungskette und kennen deshalb keine Feinde. Ihre Lieblingsspeise sind Pinguine, und davon sollen sie pro Tag so 6-7 Stück vertilgen, heisst es. Gezählt haben wir nicht, aber schon mal beobachtet, wie sie einen dieser im Wasser so flinken Pinguine geschnappt haben. Es sind richtige Jäger, blitzschnell und mit angsteinflössenden Zähnen bewaffnet. Wenn sie dagegen dösend auf ihrem Eisfloss dahinträumen, scheinen sie zu schmunzeln. Warum auch nicht? Sie haben schliesslich das Privileg, in der Paradise Bay zu Hause zu sein.

Und dann die Wale! Wir waren mit den Zodiacs unterwegs, auf dem «Nachhauseweg» zum Schiff, als sie in nächster Nähe auftauchten. Zwei Buckelwale, eine Mutter mit ihrem erwachsenen Kind. Sie umkreisten unsere MV Plancius mehrere Male und zeigten sich in ihrer ganzen Pracht. Kein Wunder, dass jedesmal, wenn einer auf dem Schiff «Wale!» schrie, alle panikartig an die Fenster oder an die Reling stürzten. Die Begeisterung für Tiere war bei allen Expditionsteilnehmern riesig. Ein schönes Gefühl, mit so vielen Naturfreunden unterwegs zu sein!

Fritz Kleisli, Februar 2010

>Fotogalerie South Georgia


>Fotogalerie Antarktische Halbinsel

>Reisetagebuch (7 A4-Seiten, 5.1 MB)