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Reisebericht Rajasthan, Indien


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Maharadschas, Götter und Paläste


Rajastan bedeutet: «Land der Könige (rajas)», und vom Wort raja leitet sich auch der im Westen bestbekannte Herrschertitel Maharaja (maha=gross, Maharaja=grosser König) ab. Alle Ehefrauen des Maharajas hiessen «Maharani», seine Hauptfrau, meist war das jene, die ihm seinen ältesten Sohn, den Erbfolger, schenkte, nannte man «Patrani». Neben der Patrani und den Maharani hatte der Maharadja natürlich noch viele weitere Frauen, sogenannte Konkubinen, die dasi. Ein besonders tolles Leben hatten die Frauen eines Maharajas allerdings nicht. Sie wurden nach heutigen Begriffen eher als Gefangene im goldenen Käfig gehalten, durften nie aus den Palästen raus und mussten sich sogar bei Feierlichkeiten hinter speziellen Fenstern verstecken (natürlich keine Glasscheiben, sondern eine Art Sandsteingitter mit vielen kleinen Löchern versehen, wunderschön verziert, aber überaus lästig, weil man nie mit zwei Augen gleichzeitig durchgucken konnte). Der Zweck dieser «Fenster»: Kein anderer Mann als der Maharaja sollte die Frauen zu sehen bekommen.


Burgen und Maharaja-Paläste


Rajastan ist für seine starken Forts und prunkvollen Paläste weltberühmt. Burgen brauchten die Hindu-Maharajas, um sich gegen die Mogulkaiser (Muslimische Invasoren) zu wehren, die vom 12.Jahrhundet an ständig gegen die Hindubastionen anrannten und diese meist auch irgendwann in ihren Besitz brachten. Dabei gingen sie mit den Menschen im und ums Fort alles andere als zimperlich um und schlachteten zigtausende Bauern und Verteidiger. Die Maharajas versuchten dabei, sich möglichst «ehrenvoll» aus der Affäre zu ziehen. Was dann hiess, dass die Männer sich nie ergeben durften und im Kampf starben, während sich deren Witwen freiwillig auf dem Scheiterhaufen verbrennen liessen, nur um den Mogulen nicht in die Hände zu geraten.


Die Forts sind wirklich eindrücklich und mit riesigen Mauern umgeben, oft 80 oder 100 Meter hoch und häufig auf Felsen gesetzt, an denen man dann staunend und beeindruckt emporguckt. Irgenwie unvorstellbar, dass ein Gegner je eine Chance hatte, raufzuklettern und solche Burgen einzunehmen. Und doch passierte es fast allen Forts, denn sie wurden über Monate hinweg belagert, von Lebensmitteln abgeschnitten und mussten irgendwann mal kapitulieren. Einige wurden dabei total zerstört, andere weiter ausgebaut und noch prunkvoller ausgestattet. Manche Maharajas liessen es aber auch gar nicht zum Kampf kommen und verheirateten ihre Prinzessinnen mit den angreifenden Mogulkaisern, was dann eine Zeit relativen Friedens brachte. Die Epoche der Mogulkaiser lief im 18. Jahrhundert langsam aus, denn das war die Zeit, als die Engländer ihre Macht in Indien immer weiter ausbauten.


Die Engländer waren sehr geschickt im Umgang mit den Maharajas, sie liessen sie ziemlich frei schalten und walten – Bedingung war lediglich, dass die Oberhohheit Englands anerkannt wurde. Die meisten Maharajas erkannten schnell, dass das für sie ein gutes Geschäft war, sie verbündeten sich mit den Engländern und beuteten ihr Land gemeinsam mit den Kolonialisten aus, scheffelten so ihren unermesslichen, märchenhaften Reichtum und hielten sich tausende von Bediensteten, prunkten mit Pferden, Kamelen und Elefanten, auf denen man gemeinsam mit den Engländern auf Tigerjagd ging. Noch heute zeugen ganze Palastflügel von dieser Zeit: dutzende von prunkvoll und reich verzierter Elefantensättel sind noch immer zu bestaunen – nebst den anderen Gegenständen, die es im Palast brauchte.


Erst vor rund 50 Jahren konnte sich Indien von den englischen Kolonialherren loslöse (Unabhängigkeits-erklärung von 1950). Da war es dann auch mit der Herrlichkeit der Maharadjas zu Ende. Es gibt zwar auch heute noch viele Maharaja-Familien, aber sie müssen sich jetzt ihr Geld auf mehr oder weniger «normalem» Weg erarbeiten, einige von ihnen haben ihre Paläste zu Gasthäusern umgebaut und verdienen sich als Hoteliers ihr Leben.


Natürlich haben wir es uns nicht nehmen lassen, auf unserer Reise durch Rajastan im einen oder anderen Maharadja-Palast zu wohnen. Der unglaubliche Reichtum, der damals geherrscht haben muss, kommt auch heute noch zum Ausdruck (einige Paläste verfügten über mehr als 300 Zimmer!, überall Marmor und Gold und feinste Mosaiken, Dekorationen, Gemälde, Plastiken, Kunst, rund um den Palast herrliche Gärten und Parks). Anderseits entsprechen diese Paläste den heutigen Komfortanforderungen an moderne Hotels keineswegs (schlechte oder keine Heizung, sehr mangelhafte sanitäre Einrichtungen, zu grosse und zu hohe Räume und so weiter) – aber es vermittelt natürlich einen ausgezeichneten Eindruck, wie die Maharadjafamilien damals so gelebt haben müssen.


Tempel und Millionen von Hindu-Göttern


80% der Inder (das sind rund 800 Mio Menschen, bei einer Gesamtbevölkerung von rund 1 Milliarde!) gehören dem Hindu-Glauben an. Im Gegensatz zu den drei anderen grossen Religionen, die nur je einen Gott verehren (Christen, Juden, Moslems), soll es bei den Hindus 333 Millionnen Götter geben, und jeder Gläubige kann selbst entscheiden, welcher Gott ihm am besten gefällt, welchen er anbeten soll. Viele der Götter wiederholen sich und kommen als Re-Inkarnationen vor, mal als Mann, mal als Frau. Die Wiedergeburt jeden Wesens ist der zentrale Punkt im Hindu-Glauben, jedermann geht davon aus, dass er/sie ein weiteres Leben hat. Und dass das kommende Leben je nach dem, wie er sein jetziges gestaltet (d.h. ob er «gut» oder «böse» lebt) aussehen wird. Das erklärt auch, warum viele kein Mitleid mit den Ärmsten haben: man kann ja davon ausgehen, dass sie es nicht besser verdient haben, weil sie im früheren Leben «schlecht» waren...


Die obersten Hindugötter sind Brahma (der Schöpfer, seine Gattin heisst Sarasvati und ist die Göttin der Künste), Vishnu (der Erhalter, Gattin Lakshmi ist für Schönheit und Reichtum zuständig) und Shiva (der Zerstörer, seine Frau heisst Parvati).

Brahma wird meist mit vier Köpfen dargestellt, Vishnu mit vier und mehr Armen, zudem gibt es von ihm bereits neun Inkarnationen, die drei berühmtesten sind Rama, Krishna und Buddha – Namen, die man auch im Westen kennt. Krishna, meist mit blauer Hautfarbe dargestellt, ist sehr beliebt, er ist der flötenspielende Hirtengott und der «Don Juan» unter den Göttern, ein Frauen-Lover – er soll 16’000 Freundinnen haben – vielleicht sinds auch ein paar mehr oder weniger, man gönnt es ihm. Der beliebteste Hindugott überhaupt aber ist Ganesh, ihn trifft man überall an, denn er ist der Glücksbringer und Beseitiger aller Hindernisse. Er ist der Sohn von Shiva und seiner Ehefrau Parvati und trägt einen Elefantenkopf. Wie es dazu kam? Shiva soll eines Tages überraschend nach Hause gekommen sein, dabei sah er Parvati mit einem jungen Mann. Von Eifersucht entbrannt, schlug er seinem vermeintlichen Nebenbuhler dem Kopf ab... und merkte etwas spät, dass es gar kein Lover von Parvati war, sondern sein Sohn Ganesh.


Da wollte er seinen Fehler so rasch wie möglich wieder gutmachen und beschloss, dem Ganesh den Kopf jenes Lebenwesens zu schenken, das ihm als nächstes den Weg kreuzte. Es war ein Elefant... Ganesh ist ein sehr liebenswürdiger Gott, meist dargestellt mit dickem, vollgefressenem Bauch, mit vier Armen und einem Rosarüssel. Echt süss, kein Wunder, dass er der Liebling aller Hindu ist.


Im Gegensatz zu den Moscheen der Moslems, die oft grossartige Bauwerke sind, aber nur Ornamentik enthalten und Schriften aus dem Koran, sind die Hindutempel mit plastischen Darstellungen aus der Götterwelt und auch aus dem täglichen Leben übersät, mit Gottheiten und ihren zahlreichen Inkarnationen, mit Tempeltänzerinnen und Tieren jeder Art. Einen Hindutempel hat man nie ganz gesehen – man kann stundenlang um ihn rum gehen und entdeckt immer wieder neue Darstellungen, darunter manchmal auch erotische wie die berühmten Figuren aus dem Kamasutra. Erstaunlich, wo doch sonst in Indien nackte Haut verpönt ist: auch als Touristin sollte man nicht mit kurzem Rock oder ärmellos auftreten. Anderseits: An den Ufern der Flüsse, in denen die Kleider gewaschen werden, fällt die Scham wieder dahin, da wird ziemlich nackt gebadet. Die Spannweite scheint auch hier ziemlich gross zu sein.


Jain, die totalen Vegetarier


So wie es bei den Juden die tiefgläubigen Orthodoxen gibt (jene, die sich die Haare um die Ohren wickeln und am Freitag nichts tun dürfen, nicht mal einen Lichtschalter betätigen), so gibt es auch im Hinduismus eine Gruppe von Extremisten. Ihnen ist die «Ahimsa» heilig, so nennt man die Gwaltlosigkeit. Diese wird so extrem ausgelegt, dass Jains nicht nur jeglichen Kriegsdienst verweigern (was ja letztlich mit dem Töten von Menschen zu tun hätte), sondern auch peinlich darauf achten, keine anderen Lebewesen zu töten. Nicht nur die Kühe sind ihnen heilig, sondern alle Tiere, und keinem darf ein Haar gekrümmt werden, was selbstverständlich in eine totale vegetarische Haltung ausmündet. Aber das reicht noch nicht: Bei den extremen Jains ist sogar eine Binde um den Mund Pflicht, damit man nicht aus Versehen eine kleine Fliege verschluckt. Und auch Essbares wie Kartoffeln, das unter der Erde wächst, ist tabu, denn beim Ausreissen der Pflanze könnte irgend ein Getier zu Tode kommen.


Das mag alles etwas extrem erscheinen, aber irgendwie ist es sympathisch zu sehen, wie alle Hindus – und nicht nur die Jains – respektvoll mit Tieren umgehen.


Die Sikhs und ihr Dolch


Den Gegensatz zu den Jains bilden die Sikhs. Diese Hindu-Untergruppe will sich jederzeit zur Wehr setzen können. Sie waren deshalb auch bei den Engländern sehr beliebt und bildeten ganze Korps von Elitetruppen, die auch im zweiten Weltkrieg für die Alliierten viel geleistet haben. Sie müssen fünf Gebote befolgen: 1. die Kopfhaare wachsen zu lassen, 2. den typischen Sikh-Turban tragen (um die Haare zusammenzuhalten), 3. müssen sie einen Kamm auf sich tragen, 4. sollen sie unter den langen Überhosen eine etwas kürzere zweite Hose tragen (damit sie – so erklärte man es uns jedenfalls – im Falle eines Kampfes, bei dem sie ihre Hose verlieren, nicht nackt dastehen...), und 5. dürfen sie sich nie von ihrem Dolch trennen. Bekannt ist, dass sich die Sikhs die Freiheit erkämpfen wollten, ihren Dolch auch im Flugzeug zu tragen. Nicht herausgefunden haben wir, ob sie sich damit durchsetzen konnten.


Mädchen – eine Last für die Familie


Frauen haben schon bei den Maharajas nicht allzu viel gegolten (mal von jenen abgesehen, um die Kriege geführt wurden und deretwegen ganze Armeen abgeschlachtet worden waren...). Auch im heutigen Indien ist ein Mädchen nichts wert, im Gegenteil, es ist eine finanzielle Last für die Familie. Wer gleich drei, vier Mädchen hat und nicht zu den Reichen gehört, der wird zeitlebens nie auf einen grünen Zweig kommen. Grund: Jedes Mädchen kann nur mit einer kostspieligen Mitgift verheiratet werden, darunter versteht man schon einige teure Küchenmaschinen wie Kühlschrank etc. sowie mindestens einen Motorroller für den Bräutigam. Wer die Verdienstmöglichkeiten im indischen Durchschnitt betrachtet (der Lohn unseres Fahrers ohne Trinkgeld beträgt im Monat 2500 Rupees, das sind etwa 80 Schweizerfranken), kann sich vorstellen, dass Sparen angesagt für den Tag, wo man die Mitgift für die Tochter zusammenhaben will!


Apropos Heirat: In der Regel suchen die Eltern der heiratsfähigen Kinder den passenden Partner aus, in ländlichen Gegenden ist dieser sogar schon kurz nach der Geburt festgelegt. Wenn ein Mädchen verheiratet ist, so muss es dafür sorgen, so rasch wie möglich einen Sohn zu gebären. Schafft sie es nicht - egal, ob sie unfruchtbar ist oder ob es ein Mädchen ist – wird sie immer mit der Schwiegermutter im Clinch stehen. Sogar sehr zivilisierte und fortschrittliche Personen, wie einige unserer Reiseleiter, erzählten von diesen Problemen. Einer hatte vier Töchter («da werde ich ein Leben lang finanzielle Probleme haben...»), ein anderer war mit einer Frau verlobt, die er selbst ausgewählt hatte (ein grober Fehler für die Frau!) – sie steht deshalb mit seiner Mutter dauernd auf Kriegsfuss.


Kühe mitten auf der Strasse – Lebensgefahr!


Ein Glück, dass wir nicht selbst fahren mussten! Mit unseren europäischen Vorstellungen von Strassenverkehr wären wir ganz bös auf die Nase gefallen. Dass man links fährt in Indien, ist noch das wenigste. Aber dass Kühe die oberste Priorität auf der Strasse haben – daran konnten wir uns bis zum Schluss unserer 3000km-Reise nicht gewöhnen. Die Viecher stehen, wo sie wollen, in der Stadt wie auf dem Land, und sie zucken nicht mal mit den Augenlidern, wenn riesige Lastwagen Zentimeter an ihnen vorbei donnern – natürlich, nachdem der Lastwagen einen Bogen um sie herum fahren musste und dabei sich selbst und die auf der anderen Strassenseite daherkommenden Fahrzeuge bös in Gefahr brachte. Aber noch schlimmer ist es, wenn die Viecher nicht stillstehen, sondern im letzten Moment auf jene Seite gehen, die man nicht erwartet.


Das ist dann brandgefährlich, und das führt zu fürchterlichen Unfällen. Die Lastwagenchauffeure sind verpflichtet, dem Viech auszuweichen, und allzu oft stürzen sie dabei von der Strasse, überschlagen sich oder rasen in einen Baum. Auf einer Strecke von Jaipur nach Agra (ca. 200 km) sahen wir fünf umgekippte oder in Bäume gedonnerte Lastwagen..., einmal kamen wir selbst in tödliche Gefahr, als ein junges Rind im letzten Moment die Richtung wechselte, nachdem unser Fahrer schon auf die andere Seite ausgewichen war. Wir hatten ein Riesenglück, den genau in dem Moment war die Gegenfahrbahn leer, was selten genug vorkommt. Zwischen grösseren Städten verkehren tausende von Lastwagen, einer hinter dem anderen, auf beiden Fahrspuren. Die meisten Strassen in Rajastan sind gerade so breit, dass zwei Autos oder Kamelfuhrwerke knapp aneinander vorbei kommen, die Qualität des Belags ist unter jeder Kritik: Löcher, Bodenwellen, Löcher... und immer und immer wieder diese Kühe und Wasserbüffel.


Wer überholt, ist im Recht...


Überholen? Wir hätten es kein einziges Mal gewagt – unser Chauffeur hüpfte dabei von Laster zu Laster, oft zentimeterbreit an entgegenkommenden Autos vorbei, ein totaler Horror, ein Wunder, dass uns nichts passierte. Oder doch kein Wunder, sondern System? Vielleicht, denn die Rajastani haben eine «Verkehrskultur» entwickelt, die jeden verpflichtet, auf den anderen aufzupassen.


Das funtkioniert so: Wer überholt, ist grundsätzlich im Recht. Er zieht auf die Gegenfahrbahn, blinkt mit dem Scheinwerfer «achtung, ich komme», und der entgegenkommende Fahrer geht vom Gas und bremst, notfalls weicht er von der Strasse! Reicht es dann doch nicht ganz, ist es völlig selbstverständlich, dass der überholte Wagen scharf abbremst, damit eine Lücke entsteht, in die sich der Überholende gerade noch retten kann. Bevor man dieses «System» erkannt hat, stockt einem bei jedem Überholmanöver der Atem. Aber irgendwie funktioniert es, denn auf den 3000 Kilometern haben wir nur zwei Frontalunfälle gesehen. Dafür massenhaft überfahrene Hunde, und keine einzige (!) getötete Kuh – aber viele von der Fahrbahn geratene Laster, die den Kühen ausweichen mussten.


Bakschisch und faule Tricks


Zu Fuss als Tourist in den Städten und Dörfern unterwegs – nein danke. An jeder Ecke, nein, alle drei Meter, taucht jemand auf, der bettelt. Kinder jeden Alters, Frauen mit Babies auf dem Arm, Bettler am Boden, Lahme, Kranke, Verkrüppelte. Am Anfang steht das Mitleid, es verfliegt schnell, man will sich dem allen nur noch entziehen, haut ab in den Wagen, braust wieder davon, zur nächsten Sehenswürdigkeit, auch wenn man weiss, dass es dort genau gleich sein wird. Auch in den Läden hält man es kaum aus, selbst wenn man was kaufen möchte, nervt dieses ewige anpreisen der Waren. Man möchte in Ruhe was aussuchen, unmöglich. Und man sehnt sich zurück in die Schweiz mit ihren unpersönlichen, manchmal unhöflichen Menschen. Immer noch besser, als ohne Pause angequatscht zu werden.


In Pushkar, dem schlimmsten Touristenort in ganz Rajastan, haben sich Banden gebildet, die die Touristen von A-Z «betreuen». Das läuft dann so ab: Bei der Ankunft, d.h. beim Aussteigen aus dem Auto, kommt ein überaus freundlicher Mensch und gibt einem eine Lotusblume (Pushkar heisst Lotusblume). Keine Anmache, nichts, er schenkt einem eine Blume, die man dann in den heiligen See werfen möge. Mit der Blume in der Hand wandert man dann durch das Städtchen, schaut sich die Menschen (viele, viele so genannte Aussteiger mit Hare-Krishna-Zopf und so) an, dann natürlich all die heiligen Kühe, wie überall, die Händler, die Frauen in ihren prächtigen, knallfarbigen Sari (alle Frauen wirken irgendwie schön in Indien, es sind die Gewänder, den Menschen drunter sieht man ja kaum...), kurz und gut, man geniesst die besondere Stimmung, hört die Sitar-Musik an allen Ecken, setzt sich irgend in ein kleines Restaurant (indische Speisen sind sehr lecker, wenn auch irrsinnig scharf), bummelt durch das Städtchen und wird irgendwann einmal – so ganz beiläufig, von einer überaus freundlichen Person angesprochen, die einem den Weg zum Heiligen See weist. Keine Spur von Aufdringlichkeit, nichts. Aber kaum ist man am See angelangt, gehts los.


Jetzt ist das dritte Glied der Kette erreicht: die Schleifer sind dran. Sie nötigen einen, die Schuhe auszuziehen. «Aus Respekt» vor dem heiligen See. Hat man das befolgt, ist man auch schon in ihrer Mühle. Aus Respekt vor Brahma muss man jetzt auch noch beten. Man solle nachsprechen. Satz um Satz, unverständliches Zeug, es will nicht enden, ich verliere langsam die Geduld. Beginne mich zu wehren. «Ich plappere doch nicht Zeug nach, das ich nicht verstehe!», werfe ich ein. Nein doch, ich müsse das tun, aus Respekt vor dem heiligen See und so. Bald finde ich den Grund heraus: Mit der Beterei ist natürlich eine heilige Spende verbunden, ein paar tausend Rupees sollten es schon sein, damit Brahma zufrieden sei...


Reine Geschäftemacherei, protestiere ich. Mitnichten, das Geld komme den Armen zugute, und er, der Vorbeter, wolle das Geld auch gar nicht, ich könne es einem Priester übergeben. Und schon steht er da, der «Priester», mit der offenen Hand. Übrigens, meint dieser, wäre es gut, wenn wir besser auf unsere Schuhe aufpassen würden, die wir am Anfang der Treppe zum See zurücklassen mussten. «Es ist schon vorgekommen, dass diese verschwinden...». Die reine Erpressung. Also zücke ich, natürlich «aus Respekt vor dem heiligen See», einen Hunderter (Gegenwert Fr. 3.50), drücke es dem «Priester» in die Hand. Natürlich weiss ich, dass ich damit auf seine Erpressung eingehe, immerhin erkaufe ich mir damit die Sicherheit, dass meine Schuhe nicht verschwinden. Und nehme in Kauf, dass Brahma mit der Höhe der Spende wahrscheinlich nicht zufrieden ist. Die Bande ist es allemal, 100 Rupees sind in Indien viel Geld – sie hat ihr Ziel erreicht.


Taj Mahal – das meistbesuchte Bauwerk der Welt


Der Taj Mahal, das berühmteste Denkmal der Welt, liegt in Agra, ca. 200 km südlich von Delhi. Zwischen Delhi und Agra gibt es die einzige richtungsgetrennte Strasse von ganz Rajastan, und am Anfang dachten wir, dass es sich um eine Autobahn handle. Als dann unser Chauffer nie über 70 km/h fuhr, fanden wir heraus, warum: Auf beiden Fahrbahnen gibt es Gegenverkehr, und so kommt es immer wieder vor, dass einem auf der «Überholspur» (wie wir das nennen würden), Busse oder Ochsenkarren(!) frontal begegnen. Hätte man da 120 drauf, die Katastrophe wäre programmiert.


Also, Taj Mahal. Taj heisst Krone, Mahal heisst Palast, zusammen «die Krone der Paläste». Stimmt wohl, was die Pracht und die architektonische Mächtigkeit des Bauwerks betrifft, schon sehr beeindruckend (es ist übrigens das meistbesuchte Bauwerk der Welt). Aber es ist halt kein Palast fürs Leben, sondern ein Denkmal für eine tote Frau, ein Palast, der nie bewohnt wurde. Irgendwie schade, fanden wir. Gebaut hat den Taj Mahal ein Mogulkaiser namens Shah Jahan (sprich Schaa Tschahan) für seine verstorbene Gattin Mumtaz Mahal (Mumtatsch Mahal, bedeutet «die Auserwählte des Palastes», sie war bei ihrem Tod 38 und starb bei der Geburt ihres 14. Kindes, wie es heisst). Am marmornen Wunderwerk Taj Mahal soll 22 Jahre lang von 20’000 Arbeitern gebaut worden sein, fertiggestellt wurde er 1653. Dabei ging Shah Jahan fast bankrott, weshalb er von seinem Sohn Aurangzeb bevormundet und eingesperrt wurde.


Shah Jahan soll nämlich noch die Absicht gehabt haben, neben dem weissen Taj Mahal seiner Mumtaz einen ebensolchen Taj Mahal in schwarzem Marmor für sich zu bauen, auf der anderen Seite des Yamuna-Flusses... Stattdessen musste er, eingesperrt in seinem Roten Fort in Agra, sich mit dem Blick auf den Taj Mahal begnügen, den er in einer Entfernung von etwa 2 km gerade noch sehen konnte. Ein unerbittlicher Vater, dieser Aurangzeb, nicht nur seinem Sohn gegenüber. Er zerstörte auch alles Hinduistische, was ihm in die Hände kam. Aurangzeg war allerdings der letzte Mogulkaiser, denn danach, ab 1707, kamen die Engländer an die Macht.


War der Taj Mahal nun der Höhepunkt unserer Reise? Schwer zu sagen. Wie soll man all die Eindrücke des Landes, der Wüste, der vielen verschiedenen Menschen, der heiligen Kühe und all der anderen Tiere, die Impressionen der Paläste, der Burgen, der Städte, der Dörfer, der Märkte miteinander vergleichen? Oder war es die Haltung der Menschen in diesem Land, diese Ergebenheit dem Schicksal gegenüber, die uns so fremd ist? Nur eines ist sicher – diese Reise war überwältigend.


Fritz Kleisli, Februar 2000