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Reisebericht Galàpagos-Inseln


Das letzte Paradies?


Ich sitze an einem dieser wunderbaren Lavastrände und fühle mich als Teil der Natur, mitten im vollen Leben. Links von mir liegen ein paar dösende Seelöwen, schutzlos mit dem Bauch nach oben und ein zufriedenes Lächeln im Gesicht, im schwarzen Lavagestein vor mir zeigt mir eine knallrote Klippenkrabbe ihre eindrücklichen Fangarme, und knapp daneben guckt mich ein kleiner Drache an, ein Bild wie aus den Tagen der Schöpfung. Ein Prachtsexemplar von Pelikan überfliegt mich, landet mit weitausgebreiteten Schwingen – mindestens zwei Meter Spannweite – auf dem Strand und positioniert sich dort so malerisch, dass ich zur Kamera greife. Gut, dass ich das 300-Millimeter-Tele dabei habe, denke ich noch.


In dem Moment dreht sich der Vogel in meine Richtung und watschelt auf mich zu, näher und näher, wie ein Fotomodell auf dem Laufsteg. Der muss wissen, wie schön er ist, schiesst es mir durch den Kopf, und der süsse Kerl bewegt sich weiter auf mich zu, bis er sich einen halben Meter neben mir aufbaut und mich dann mit seinen lebhaften, lustigen Augen von oben bis unten mustert. ER ist es, der den Kontakt gesucht und hergestellt hat... ein Wesen, das einfach Lust auf Gesellschaft hat. Die Situation widerspricht all meinen bisherigen Erfahrungen mit Wildtieren, und ich bin völlig überwältigt und gerührt. Es ist unfassbar. Im Laufe unserer Galàpagos-Tage werde ich aber noch herausfinden, dass das in diesem letzten Paradies der Welt «normal» ist.


Früher alles andere als ein Paradies


Die Galàpagos-Inseln, die rund 1000 Kilometer von Ecuadors Westküste entfernt im Pazifik liegen, waren bis 1535 unbekannt. Sie wurden nur zufällig entdeckt, und das ging so: Der spanische Bischof von Panama wollte nach Peru segeln und geriet in eine so starke Strömung des Humboldt-Stroms, dass er weit in den Pazifik rausgetrieben wurde. (Der Humboldt-Strom verläuft tatsächlich von Süden nach Norden der peruanischen Küste entlang und macht dann beim Äquator eine scharfe Drehung nach Westen – genau auf die Galàpagos-Inseln zu). Tomas de Berlenga, so hiess der Bischof, schrieb in seinem Bericht, auf diesen wertlosen Inseln gäbe es «nur Schlacke und weit und breit kein Gras». Das war einerseits richtig bemerkt – die Inseln sind rein vulkanischen Ursprungs und bestehen deshalb aus Lava, und anderseits hatte dann jahrzehntelang niemand mehr Lust, diese gefahrvolle und mühselige «Segeltour» ans Ende der Welt zu unternehmen.


Beliebtes Piratenversteck


Das änderte sich erst mit dem Aufkommen der englischen Piraten, die von 1600-1800 die spanischen Kolonien an der Westküste Südamerikas auszuplündern pflegten. Die rund 30 kleineren und grösseren Inseln dienten den Piratenschiffen als ideales Versteck, wo keine Macht der Welt sie auffinden, geschweige denn kontrollieren konnte. Dann kamen die Walfänger und mit ihnen das grosse Sterben. Vor allem die Riesenschildkröten wurden fast völlig ausgerottet, denn sie dienten der Schiffsbesatzung als perfekte Konserven. Man legte die hilflosen Tiere einfach auf den Rücken und stapelte sie lebend während Monaten im Schiffsbauch – erst wenn man Frischfleisch brauchte, wurden sie geschlachtet, wie praktisch!


Die Galàpagos-Tiere von damals wurden also sehr wohl mit dem «Raubtier Mensch» konfrontiert, umso erstaunlicher ist es, dass sie heute dermassen zutraulich und frei von Angst gegenüber dem Menschen sind. Der Grund für die Wandlung zum Guten ist zweifellos die 1959 erfolgte Deklaration zum Nationalpark. Mit der Unterstützung durch die UNESCO ist es Ecuador gelungen, das gesamte Gebiet der rund 30 Inseln auf einer Fläche etwa so gross wie die Schweiz unter Naturschutz zu stellen. Mit Erfolg, wie man sieht. Und obwohl heute pro Jahr rund 75’000 Touristen einreisen, bleibt die heile Welt bestehen. Hauptgrund: Freier Tourismus ist nicht möglich. Es dürfen nur Leute an Land gehen, die in Begleitung eines Nationalparkführers sind. Und bevor man in Gruppen von etwa 15 Personen an Land gelassen wird, erfolgt eine ausführliche Belehrung über Flora und Fauna – attraktiv aufgezogen und mit Videos untermalt. Hinzu kommt, dass jene Touristen, die eine Galàpagos-Reise gebucht haben, schon von Haus aus eine Beziehung zu Natur und Tier haben und deshalb die Bereitschaft mitbringen, sich an die Regeln zu halten.


Alte und junge Inseln


Die ersten Inseln des Galàpagos-Archipels, das eine Ausdehnung von zirka 400 x 200km hat, sind vor etwa vier Mio Jahren entstanden – buchstäblich aus dem Nichts. Am Meeresboden in einer Tiefe von 4000 Metern trat glühende Lava aus und stapelte sich so hoch, bis sie über das Meer hinausragte. Die höchste Erhebung ist 1689 Meter ü.M. und steht auf der jüngsten Insel – sie heisst Isabela und ist erst vor rund 500’000 Jahren entstanden. Mehrere Vulkane sind auch heute noch aktiv, und natürlich ist anzunehmen, dass in den nächsten paar Millionen Jahre noch weitere Inseln dazu wachsen.

Die Bezeichnung der Inseln ist etwas verwirrlich, weil jede mindestens zwei Namen hat, einen spanischen und einen englischen (die Insel Santiago heisst zum Beispiel auch «James» und Santa Cruz auf Englisch «Indefatigable». Die Inselgruppe wurde übrigens erst 1832 von Ecuador annektiert, früher war sie Niemandsland. Nur wenige der total 30 Inseln sind bewohnt, und insgesamt leben auf ihnen nur etwa 15’000 Einwohner. Viele davon waren früher Fischer und sind heute hauptsächlich im Tourismus oder für die Forschungsstation des Nationalparks tätig, die meisten rund um den Hafen Puerto Ayora auf der Isla Santa Cruz.


Der berühmteste Besucher: Charles Darwin


Im Rahmen seiner 5-jährigen Forschungsreise von 1831-1836 (Afrika, Südamerika, Australien) kam der Begründer der Evolutionstheorie auch auf die Galàpagos-Inseln. Was ich nicht wusste: Darwin war studierter Theologe und arbeitete in England als Landpfarrer (!), bevor er auf seine berühmte Reise mit dem Segler «Beagle» ging. Er war fest entschlossen, Beweise für die Richtigkeit der biblischen Schöpfungsgeschichte zu finden. Was er schliesslich antraf, war das genaue Gegenteil seiner Erwartungen. Offenbar hatte er selbst ziemlich Mühe mit seinen Entdeckungen, weshalb es mehr als 20 Jahre dauerte, bis er sich getraute, seine Forschungsergebnisse öffentlich zu machen. 1859 erschien dann endlich sein revolutionäres Buch über die Evolutionstheorie («On the Origin of Species by means of Natural Selection»). Muss ein ziemlicher Schock gewesen sein, für ihn genauso wie seine theologisch gebildeten Kollegen...


Trockene oder nasse Landung?


Auf Galàpagos gelangt man per Flugzeug nur von Guayaquil (Ecuador) aus, die Landung erfolgt in Baltra, einer winzigen Insel, die vor allem für den Flughafen dient. Von hier aus gehts ausschliesslich per Schiff weiter. Zwar stehen den Touristen mehrere Optionen offen – von kleinen Yachten bis zu Luxusdampfern – aber allen ist gemeinsam, dass sie von Insel zu Insel fahren und dort nie selbst anlegen, sondern in einer ruhigen Bucht ankern. Mit Beibooten wird dann eine Gruppe nach der anderen abgesetzt, jede mit einem Nationalparkwächter bestückt. Diese Führer verfügen über ein enormes Sachwissen und erklären mit Begeisterung die Pflanzen- und Tierwelt vor Ort.


Zudem wird vor jedem Landgang erläutert, was es möglicherweise zu sehen geben wird (sicher ist man ja bei den Tieren nie!), und ob man mit dem Gummiboot «trocken» an einem provisorischen Steg oder «nass» am Strand landen wird – jedesmal eine spannende Sache! Wir hatten uns für ein mittelgrosses Kreuzfahrtschiff namens M/V Galàpagos-Legend entschieden, das Platz für maximal 99 Passagiere bietet. Geräumige Kabinen, sehr freundliches Personal. Details zu unserem Schiff: Baujahr 1963, entstanden in der Howaldt-Werft in Hamburg, während des Vietnamkriegs diente es dort als Lazarettschiff des Roten Kreuzes.

Die Führer für die Landgänge werden nicht vom Reeder gestellt, sondern vom Nationalpark. Übrigens: Jeder Tourist bezahlt am Flughafen bei seiner Einreise 100 US Dollar Nationalparksteuer. Mit dem so generierten Geld wird ein Teil des Aufwandes für die Erhaltung diesers Ökosystems beglichen – und unter anderem auch für die Löhne der Parkwächter/Führer. Diesen Naturburschen nimmt man ihre Liebe zu ihren Inseln und Tieren wirklich ab, sie sind alle sehr sprachkundig und kontaktfreundlich.


Sehr sympathisch war auch die Art der Gruppeneinteilung: Unsere Gruppe trug den Namen «Boobies» (Blaufusstölpel), dann gab es jene der Kormorane, der Delfine, der Albatros und so weiter, schön aufgeteilt nach Sprachen.


Die Landgänge fanden zweimal täglich statt, einer vormittags und einer nachmittags von je 3-4 Stunden, es gab also ziemlich viel zu wandern auf den verschiedenen Inseln – und daneben nur sehr wenig «Freizeit»! Kaum war man nämlich wieder an Bord, ging dort das Programm lückenlos weiter: mit dem Briefing für die Ausflüge des nächsten Tages. Aber beklagt hat sich niemand – alles war so spannend und neu und aufregend. Nachtsüber tuckerte dann die M/V Galàpagos-Legend gemütlich Richtung nächste Inseldestination, und am anderen Morgen konnte das Ausschiffen wieder losgehen. Über den Lautsprecher kam dann: «Wir starten heute mit der Gruppe Albatros, zweite Gruppe sind die Boobies, dritte Gruppe die Delfins, bitte um 08.00 zum Ausschiffen bereitmachen... heute gibt es eine nasse Landung...».


Die Neugier der Tiere


Wenn eine «nasse Landung» auf dem Programm stand, dann durfte auch das Schnorchelzeug nicht fehlen! Die Fischvielfalt hier kann sich nicht mit jener des Roten Meers oder der Malediven messen, dafür ist das Wasser zu kühl, aber dafür gibt es die einzigartige Möglichkeit, unter Wasser mit den jungen Seelöwen zu tanzen! Reinspringen genügt, schon wollen sie mitmachen und ihre Schwimmkünste vorführen, diese verspielten Süsslinge! Ich war mal mitten in einem Rudel von sechs Halbwüchsigen, die wie Torpedos gleichzeitig von unten und oben an mir vorbei zischten – jedesmal die Augen weit offen und mich betrachtend. Wahrscheinlich mitleidig, weil ich mich im Wasser so ungeschickt benahm, verglichen mit diesen Akrobaten. Eine umwerfende Erfahrung!


Immer wieder kommt es vor, dass irgend ein Wesen auf den Menschen zusteuert und den Kontakt zu ihm sucht. Dabei nähern sich sogar Leguane bis auf ein paar Zentimenter und scheinen sich dabei total wohl zu fühlen. Bei den Land-Leguanen funktioniert das allerdings nicht, die sind sehr scheu und müssen auf langen Wanderungen und unter kundiger Führung im Busch ausfindig gemacht werden. Der Grund: Auf der einzigen Insel, wo diese Tiere noch vorkommen, gab es wilde Hunde (vom Menschen importiert), die sich praktisch von diesen Leguanen ernährten, bis sie beinahe ausgestorben waren. Die Wächter des Nationalparks konnten sozusagen in letzter Minute die Hunde eliminieren und das alte Gleichgewicht der Natur wieder herstellen. Jetzt vermehren sich die Leguane wieder, aber es wird natürlich mehrere Generationen dauern, bis sie wieder zutraulich werden.


Achtung vor Seelöwen-Bullen...


Die Seelöwen auf Galàgapos sind eine wahre Freude und öffnen das Herz jedes Besuchers. Besonders die Babys, wenn sie schreiend und klagend hinter der Mutter herwatscheln, die immer zu schnell unterwegs ist. Oder wenn man ganze Familien beobachten kann, wie sie sich genüsslich in ihren «Swimmingpools» räkeln und vergnügen, immer für eine verspielte Dummheit gut. Pure Lebensfreude. Dabei lassen sie sich auch nicht von badenden Touristen stören – im Gegenteil. Immer wieder haben wir beobachtet, dass sie aus dem Wasser stiegen und sich mitten unter die Leute an den Strand legten. Fehlte nur noch das Badetuch... Action gab es jeweils dann, wenn man einem Bullen ins Gehege kam. Schnorchler, die sich einer Familie zu sehr näherten, wurden dann vom starken Mann ganz bös angebrüllt und aus seinem Revier vertrieben.


Ein Eldorado für Fotografen


Als wir auf dem Flughafen von Baltra ankamen, da hingen im ganzen Gebäude Dutzende von sensationell schönen Fotopostern. Wow! dachte ich, da muss wohl jemand monatelang auf der Lauer gelegen haben, um solche Schüsse in den Kasten zu kriegen. Fünf Tage später wusste ich es besser: Auf diesen Inseln muss man die Sujets nicht jagen, sie zeigen sich freiwillig und grossherzig. Ja, manchmal hat man sogar das Gefühl, die Tiere würden sich bewusst ins beste Licht setzen, wie kleine Superstars, was sie ja auch sind. Jedenfalls war die «Arbeit» mit der Kamera ein Hochgenuss und hat bleibende Erinnerungen in Hülle und Fülle beschert.


Fritz Kleisli, Februar 2004



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