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Reisebericht KZ Auschwitz / Birkenau


KZ Birkenau –
noch schlimmer als Auschwitz


Auschwitz steht heute als Synomym für Folter, unermessliches Leiden und Tod. Allein schon der Name löst Beklemmung aus – jeder hat schon darüber gelesen, gehört, gesprochen, nachgedacht. Dabei ist es nur eines von Hunderten von Konzentrationslagern, die von den Nazis zwischen 1933 und 1945 betrieben wurden. Und, so verrückt das klingen mag, nicht mal das Schlimmste.


Im Buch «Ein Glückskind» beschreibt einer der wenigen Überlebenden des Holocausts, was für ein «Glück» es für ihn war, ins KZ Auschwitz zu kommen. Das ist keineswegs zynisch gemeint, sondern bezieht sich aufs nackte Überleben. Sein Verfasser, Thomas Buergenthal, heute ein angesehener Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag, beschreibt darin nur den glücklichen Umstand, dass er nach Ankunft im Vernichtungslager Birkenau nicht sofort ermordert wurde, sondern ins Stammlager Auschwitz kam. Tatsächlich wurde Auschwitz nicht von Anfang an als Tötungslager geplant, sondern ursprünglich als Arbeitslager. Erbaut wurde es im Sommer 1940 in der Nähe der polnischen Stadt Oswiecim, die dann von den Deutschen, nachdem sie 1939 Polen unterworfen hatten, Auschwitz genannt wurde.

Das KZ Auschwitz bestand aus drei Komplexen: Dem Stammlager A1, Birkenau A2 und Monowitz A3. Letzteres war ein reines Arbeitslager, errichtet für die Firma I.G. Farben. Birkenau hingegen war voll auf die Massenvernichtung ausgerichtet. Mit seinem Bau wurde Ende 1941 begonnen, danach wurde es laufend erweitert, bis es eine Kapazität von 100'000 Häftlingen
erreichte. Anfänglich wurden die Menschen erschossen, in Gruben geworfen und mit Erde zugedeckt. Es gab aber zu viele Leichen übereinander, und diese begannen zu gären, sodass der Verwesungsgestank die ganze Gegend verseuchte. Nicht nur der Gestank war den Mördern unangenehm, sie befürchteten auch, ihr Tun würde entdeckt. Also musste man das Töten perfektionieren und «industrialisieren».

Dafür baute man Gaskammern, in die pro Mal bis zu 3'000 Leute getrieben und mit dem Giftgas Zyklon B vergast werden konnten. Danach wurden die Leichen in eigens dafür gebauten «Krematorien» verbrannt. Bis zum Frühjahr 1943 wurden vier solcher Krematorien in Betrieb genommen, die aus «Umkleideraum», Gaskammer und Verbrennungsöfen bestanden. Den Umkleideraum brauchte man, um den Häftlingen vorzugaukeln, sie bekämen eine Dusche. So liessen sie sich widerstandslos in die Gaskammern führen, die tatsächlich an der Decke Duschköpfe hatten, aus denen aber nie ein Tropfen Wasser floss. Kriminell durchdacht bis ins letzte Detail.

Allein in Birkenau wurden zwischen 1942 und 1945 über eine Million Menschen getötet, darunter nicht nur Juden, sondern auch russische Kriegsgefangene. Den Löwenanteil stellten die ungarischen Juden, von denen 470'000 nach Birkenau geschafft worden waren. Nur etwa 10% dieser Gruppe wurde als «arbeitsfähig» selektiert, der Grossteil sofort umgebracht.

Im Januar 1945 hatten die sowjetischen Truppen von Osten her kämpfend die Wehrmacht soweit zurückgedrängt, dass sie Oswiecim erreichten und das Lager befreien konnten. Zu befreien gab es allerdings nicht mehr viel, denn kurz zuvor hatten die Nazis die letzten 60'000 Häftlinge evakuiert und in Richtung Westen in Marsch gesetzt – ohne Verpflegung, ohne warme Bekleidung, mitten im harten polnischen Winter. Mindestens 15'000 dieser ausgehungerten und zu Skeletten abgemagerten Menschen überlebten diesen Marsch nicht.

Um beim Bild des KZ-Überlebenden Thomas Buergenthal zu bleiben: Wer die Selektionsrampe von Birkenau überstand und ins Lager Auschwitz überführt wurde, hatte es erstmal «geschafft» –
zumindest wartete nicht der sofortige Tod. Und auch vom Gesamteindruck her unterscheidet sich Auschwitz: Im Vergleich zu Birkenau wirkt dieses Lager schon fast wie eine «Feriensiedlung»: Mehrstöckige Backsteingebäude entlang einer Baumallee, einigermassen brauchbare sanitäre Anlagen und Schlafsäle, in denen nicht ständig eisige Kälte herrschte. Warum diese Unterschiede?

 

Es begann mit politischen Häftlingen

Schon wenige Monate nach der Machtergreifung der Nazis hatte Hitler 1933 das erste Konzentrationslager errichten lassen, in Dachau. Zu dieser Zeit waren die Häftlinge noch keine Juden, sondern politische Gegner der Nationalsozialisten. Und die Idee des Lagers war vergleichsweise noch human: Man wollte den
Willen der «politisch falsch Gewickelten» brechen. Tote gab es zwar schon in Dachau, aber noch deklariert als «auf der Flucht erschossen». Die Partei kannte damals noch so was wie ein «Restgewissen». Nach Beginn des Krieges 1939 verschwand auch dieser Rest, und viele normale Bürger entwickelten sich in der Uniform zu wahren Bestien.

Einer davon war Rudolf Höss, der aus einer streng katholischen Familie stammte. Er machte bei der SS rasch Karriere und wurde 1938 zum Untersturmführer befördert. Seine «KZ-Lehre» absolvierte er in den Konzentrationslagern Dachau und Sachsenhausen. Schliesslich erhielt er den Auftrag, im abgelegenen polnischen Oswiecim ein neues KZ zu errichten, wo ausgediente und heruntergekommene polnische Kasernen als Ausgangslage zur Verfügung standen. Als ideelle Grundlagen dienten Höss die in Dachau und Sachsenhausen erworbenen Kenntnisse. Was bedeutet, dass er auch «sein» KZ als Arbeitslager zu gestalten gedachte. Von Höss stammt denn auch dieser berühmt-berüchtigte Sinnspruch «Arbeit macht frei», der über dem Eingangstor von Auschwitz prangt und Weltberühmtheit erlangt hat. Zu Beginn hielt Auschwitz an den Merkmalen eines herkömmlichen KZ (wie Dachau) fest, will heissen, es war noch möglich, dort eingesperrt zu sein, seine Strafe abzusitzen bzw. abzuarbeiten und dann entlassen zu werden.

Zu dieser Zeit geisterte auch noch die Idee von Reichsminister Heinrich Himmler in manchen Köpfen herum, man könnte alle Juden aus den von den Nazis besetzten Staaten (Polen, Tschechien, Holland, Belgien, Frankreich etc.) zusammenziehen und nach Afrika verfrachten, die Rede war von Madagaskar. Wäre diese Idee zum Tragen gekommen, hätte es den Holocaust nicht gegeben – zumindest nicht in Europa. Die Sache entwickelte sich aber in eine andere Richtung.
Bei Inbetriebnahme des KZ Auschwitz zählte das Lager etwa 20 Gebäude. Die ersten Häftlinge, die im Juni 1940 überstellt wurden, waren «politische» Polen. Die Kapazität des Lagers betrug etwa 15'000 Personen. Um genügend Zwangsarbeiter für die I.G.Farben zu beschaffen, wurde das Lager mehr und mehr ausgebaut, unter anderem auch noch mit einer Ablagestelle in Monowitz nahe bei Oswiecim.

Als dann Hitler im Juni 1941 den Krieg gegen die Sowjetunion entfesselte, überstürzten sich die Ereignisse. Lebensmittel wurden knapp, und im Juden-Ghetto von Lodz brach eine Hungersnot aus. Adolf Eichmann, der berühmt-berüchtigte Chef des «Judenreferats» erhielt von einem seiner Untergebenen den Vorschlag: «Es ist ernsthaft zu erwägen, ob es nicht die humanste Lösung ist, die Juden, soweit sie nicht arbeitsfähig sind, durch irgend ein schnell wirkendes Mittel zu erledigen. Auf jeden Fall wäre dies angenehmer, als sie verhungern zu lassen». Zynismus pur.

 

Ende Juli 1941 gab dann Heinrich Himmler den Befehl, das «Problem» derjenigen Juden zu lösen, die als «nutzlose Esser» betrachtet wurden. Inzwischen hatte man Versuche mit der Vergasung von Menschen hinter sich. Man hatte herausgefunden, dass eine Tötung mit Autoabgasen (Kohlenmonoxid) möglich war. Erst verwendete man Personenwagen, und als die Wirkung zu gering war, ging man zu Lastwagen über. Noch waren aber damit keine Massentötungen möglich.

Inzwischen hatte man Pläne, Auschwitz weiter auszubauen, in Birkenau (polnisch Brzezinka), und zwar als Kriegsgefangenenlager. 10'000 russische Kriegsgefangene wurden als Zwangsarbeiter nach Birkenau transportiert, um dort das neue Lager, das für 100'000 Personen geplant war, aufzubauen. Die Arbeitsbedingungen waren dermassen katastrophal, dass von den 10'000 Russen im Frühjahr darauf noch ein paar hundert am Leben waren. Sie waren buchstäblich verhungert.
Hitler hatte sich vorgestellt, dass der Krieg gegen die Sowjetunion Ende 1941 gewonnen sein würde. Als er dann aber anfangs Dezember vor Moskau nicht mehr weiter kam und die Russen eine Gegenattacke starteten, wuchs seine Wut.

Dazu kam, dass am 7. Dezember 1941 auch die USA in den Krieg eintraten, nachdem Japan, Deutschlands Verbündeter, Pearl Harbour auf Hawaii attackiert hatte. Nun wurde es eng, und die Nazis begannen, sich intensiv mit der
so genannten «Endlösung» zu befassen, das heisst mit der konkreten Vernichtung der Juden. Aus Hitlers Sicht waren es nämlich die Juden, die den Krieg «verursacht» hatten und jetzt dafür büssen sollten. Und je düsterer die Kriegslage aus Sicht der Nazis wurde, desto brutaler wurden die Ziele für eine «Endlösung» verfolgt. Im ganzen von der Wehrmacht besetzten Europa wurden nun Juden zusammengefasst, in Viehwaggons gepfercht und in die KZ nach Osten verschickt.

Bedenklich ist dabei auch die Haltung der von Deutschland besetzten Länder. Sie boten allesamt Hand, um ihre Juden los zu werden. Frankreich, Holland, Belgien, Tschechien, Slowakei, Oesterreich, Italien, Griechenland, ja sogar die britischen Kanalinseln – alle wurden sie Helfershelfer der verbrecherischen Nazis. Kaum eine Regierung dieser Länder widersetzte sich den Anordnungen der Deutschen, die Juden zu sammeln und zu verfrachten. Mit einer Ausnahme: Dänemark. Zwar wurden auch aus Dänemark Juden in die KZ abtransportiert, aber nur solche, die auch von den Nazis selbst aufgegriffen worden waren. Die dänischen Instanzen hingegen stellten sich hinter ihre Juden und lieferten sie nicht aus. Und es passierte ihnen nichts von Seiten der Besatzer. Das zeigt deutlich, dass Widerstand möglich gewesen wäre.

 

Alle wollten die Juden loswerden...
und allen war bekannt, was in den KZ ablief


Aber es zeigt auch, dass fast alle Länder durchaus daran interessiert waren, ihre Juden auf einfache Art los zu werden. Die heutige Schutzbehauptung, man hätte «nicht gewusst», was mit ihnen passiert, sonst hätte man nicht mitgemacht, ist billig. Auch die Alliierten (USA, GB, Sowjetunion) spielten ein trübes Spiel. Sie wussten ab Frühjahr 1942, was in den KZ ablief, dass Juden zu Hunderttausenden vergast wurden. Es fand sogar eine Konferenz zu diesem Thema statt – weitab vom Schuss, auf den sonnigen Bermudas. Es gab Beweise, es gab Fotos, man stritt nicht mal ab, dass es «das Ungeheuerliche» gab, aber man fasste den Beschluss, nichts zu unternehmen. Mit der Begründung, der Sieg über Nazideutschland sei jetzt wichtiger als die Rettung von Häftlingen.

Und so starben in Birkenau und in den andern Lagern Tag für Tag Tausende von Inhaftieren. Entweder durch die Zwangsarbeit, die nur wenige überstanden, durch Hunger, Krankheiten oder durch Vergasung. Allein in Birkenau waren es über eine Million Menschen. Und im gesamten Naziraum sechs Millionen. Eine Million, sechs Millionen Menschen? Unvorstellbar, die Zahl ist unfassbar.

Noch aufwühlender wird das Ganze, wenn man sich in Einzelschicksale einliest. Während unserer Zeit in Polen haben wir die folgenden Bücher gelesen:

– Mascha Rolnikaite
«Ich muss erzählen»
Mein Tagebuch 1941 - 1945.
Verlag rororo

– Thomas Buergenthal
«Ein Glückskind»
Überlebender von Auschwitz.
Verlag Fischer

– Laurence Rees
«Auschwitz»
Geschichte eines Verbrechens.
Verlag List

Je mehr man über die Menschheit weiss, desto weniger kann man an die Menschlichkeit glauben. Wahrscheinlich ist es so, dass in jedem Gutes und Böses steckt. Damit müssen wir wohl leben.

Fritz Kleisli, Oktober 2008


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